Minsk, die Hauptstadt Weißrusslands, stellte während meines fünftägigen Aufenthalts in der osteuropäischen Nation den Ort dar, an dem ich am meisten Zeit verbringen sollte. Man muss in diesem Zusammenhang sagen, dass „fünftägiger Aufenthalt“ ein wenig hochgegriffen ist. Zwar gibt es seit Beginn diesen Jahres die Möglichkeit, ein 5-Tage-Visum zu erhalten, jedoch zählen der An- und Abreisetag jeweils als ein Tag, wodurch man effektiv nur drei volle Tage in Weißrussland hat, selbst wenn man sich die Flüge an An- und Abreisetag zeitlich sinnvoll legt.
Ungeachtet dessen war es mir wichtig, in kurzer Zeit möglichst viel von Minsk zu sehen, da ich alle weiteren osteuropäischen Nachbarstaaten Weißrusslands zuvor bereist hatte und einen Eindruck darüber gewinnen wollte, inwiefern sich das Land von jenen Nachbarn unterscheidet. Die Hauptstadt eines Landes kann dabei zwar genauso aussagekräftig wie aussagelos sein, doch sollte Minsk allein aus Gründen der Einreisebestimmungen die logische Hauptdestination meines Aufenthalts sein.
Ein kurzer geschichtlicher Exkurs: Minsk wurde bereits im 11. Jahrhundert erstmals erwähnt und gehörte im Laufe seiner Geschichte zu mehreren Fürstentümern, darunter zu jenen Kiews, Litauens und Polen-Litauens. Außerdem ist die Geschichte der Stadt natürlich eng mit der Sowjetunion und Russland verknüpft, wobei der Anteil der jüdischen Bevölkerung Minsks zwischenzeitlich sogar mal bei 80% lag!
Zu Minsk kann ich allgemein folgendes Fazit ziehen: Die Stadt lebt sehr von ihren vielen Parks und Grünflächen, die sich optisch schön eingliedern zu den oft sowjetisch daherkommenden Bauwerken. Letzteres heißt nicht, dass es nicht auch moderne, gläserne Wolkenkratzer und eine architektonische Vielfalt gibt. Im Gegenteil, denn einige Teile der Stadt wirken unheimlich modern. Auch gefiel mir der hohe Anteil an Wasser in der Stadt, womit ich meine, dass der örtliche Fluss, die Swislatsch, gut in das Stadtbild eingegliedert ist, was die Lebensqualität in einer Stadt meiner Meinung nach immer erhöht. Allgegenwärtig sind darüber hinaus die Landesfarben grün, rot und weiß, häufig in Form von Flaggen, kleinen Schleifchen oder sonstigen dekorativen Elementen an Gebäuden, Brücken und Laternen.
Sehr spannend fand ich, dass sich die Stadt als Aushängeschild des ganzen Landes zwar recht pro-russisch gibt mit einer Vielzahl von Statuen wichtiger sowjetischer Persönlichkeiten, dass sich in Minsk aber eine Bewegung aufzutun scheint, die mit der Eröffnung von Third Wave Cafés, Barber Shops, Craft Beer-Label und Vintage-Läden an die Entwicklung vieler westlicher Städte erinnert. Es wirkt, als suche die Stadt noch ein wenig ihr Image in Europa und der Welt, gerade in Hinblick auf die Konfliktlinie Tradition gegen Moderne.
Ähnlich verhält es sich bezüglich des großen Themas Tourismus. Diesem scheint sich das Land langsam öffnen zu wollen, was sich nicht zuletzt durch die Einführung des 5-Tage-Visums zeigt. Dennoch gibt es in Minsk maximal eine Handvoll Hostels, von denen wiederum noch weniger das typische Hostel-Gefühl vermitteln können. Gerade solche Erfahrungen empfinde ich jedoch als äußerst wertvoll, weshalb ich es liebe, exotische bzw. wenig touristische Länder zu bereisen.
Apropos Tourismus: Kommen wir zu Sehenswürdigkeiten in Minsk. Zunächst sei da der Platz rund um die Heilig-Geist-Kathedrale zu nennen. Nicht nur ist die Kathedrale sehenswert, sondern auch der gesamte Ort, der gerade in wärmeren Monaten ein Treffpunkt für jung und alt zu sein scheint und einen schönen Blick auf das moderne Minsk eröffnet. Hier startet übrigens auch eine Free Walking Tour, die es ermöglicht, einen guten ersten Überblick für die Stadt zu erhalten.
Ebenfalls Pflichtprogramm für Minsk sind der Siegesplatz, auf dem in Form eines Obelisken den Soldaten, die während des Zweiten Weltkrieges bei den Kämpfen zwischen Deutschland und der Sowjetunion fielen, gedacht wird, und die Nationaloper Weißrusslands, einem imposanten Gebäude, bei dem natürlich ebenfalls die Nationalfarben nicht fehlen dürfen.
Auch sollte man unbedingt die Insel der Tränen besichtigen. Dieser emotionale Ort erinnert an vergangene Kriege und deren Opfer, besonders jenen sowjetischen Soldaten aus Weißrussland, die während des Krieges mit Afghanistan in den 1980er Jahren fielen. Die Statue des weinenden Engels ist besonders rührend, wie ich fand.
Der Unabhängigkeitsplatz ist ebenfalls sehenswert mit einer Ansammlung von Sowjetbauten und der angrenzenden Kirche des heiligen Simon und der heiligen Helena.
Eine weitere interessante Station, wie ich fand, ist die Nationalbibliothek von Weißrussland, die außerhalb der Innenstadt liegt, wodurch man auch in den Genuss kommt, mal mit der örtlichen Metro zu fahren, die äußerst viel „Sowjet-Charme“ bietet. Die Bibliothek befindet sich an der Metrostation „Uschod“. Interessant ist das Bauwerk vor allem aufgrund seiner modernen und ungewöhnlichen Form. Leider war es am Tag meines Besuchs geschlossen, wodurch ich lediglich das Design des Gebäudes bestaunen durfte, was sich aber auch lohnt, wenn man sich für Architektur aller Art interessiert. Passend dazu befinden sich in unmittelbarer Nähe auch klassische osteuropäische Plattenbauten mit riesigen Malereien an den Außenwänden als idealer Kontrast zu der modernen Bibliothek.
Des Weiteren findet sich in Minsk das Haus, das in den 1960er Jahren von Lee Harvey Oswald bewohnt wurde. Auch gibt es weitere berühmte Persönlichkeiten, die einen direkten Bezug zu Minsk oder Weißrussland haben, darunter Marc Chagall und Schimon Peres.
Von den vielen erwähnten Parks gefiel mir vor allem der Janka-Kupala-Park, der sich unmittelbar am Ufer der Swislatsch befindet. Darüber hinaus laden einige Cafés auf dem Weg zu gelegentlichen Pausen ein, darunter das Manufactura, Stories und mein Favorit, das Zerno. Einen tollen Guide zu gutem Kaffee in Minsk findet ihr außerdem hier.
Als letzte Sehenswürdigkeit in Minsk empfehle ich euch, die große Markthalle und vor allem den Obst- und Gemüsemarkt dahinter zu besichtigen. Eine tolle Möglichkeit, um mit Einheimischen in Kontakt zu treten und einen richtigen Eindruck des weißrussischen Lebens zu erhalten. Dieser Markt ist absolut nicht touristisch und gefielt mir sehr gut durch dessen Authentizität.
Solltet ihr nach ein paar Tagen Minsk die Lust auf einen Tagesausflug verspüren, so empfehle ich euch den Besuch des Schlosses Nesvizh. Zugegebenermaßen sind wir in Westeuropa zwar gesegnet durch eine große Vielfalt an wunderschönen Schlössern, doch auch Schloss Nesvizh steht vielen dieser Schlösser in Sachen Architektur in nichts nach. Zwar regnete es während meines Besuchs, doch fand ich das Schloss, das auch UNESCO-Weltkulturerbe ist, sehenswert.
Alles in allem bietet Minsk einige Sehenswürdigkeiten, auch wenn diese an einem einzigen oder maximal zwei Tagen komplett besichtigt werden können und ich gestehen muss, dass ich andere Hauptstädte in der Region, besonders aber Kiew oder Chisinau, spannender finde. Nichtsdestotrotz eine interessante Stadt, vor allem aufgrund der Tatsache, dass sie derzeit ihre eigene Identität neu zu ordnen scheint und es spannend zu sehen sein wird, wohin diese sich entwickelt.
Hallo Kathy,
da bin ich ja froh 🙂 Ich kannte es vorher auch noch nicht; es wurde mir vor Ort empfohlen und der Besuch hat sich eindeutig gelohnt!
Viele Grüße
Sebastian
Vielen Dank Ines 🙂
Hey Ina, da hast du recht und ich danke dir für den Kommentar. Ich bin gespannt, ob sich das Land nach und nach zu einem touristischen Ziel entwickeln wird. Viele Grüße nach Norwegen!
Sehr gerne und danke für den netten Kommentar 🙂
Hallo Nika, vielen Dank für die netten Zeilen! Russland und die baltischen Staaten sind auch super und ich wünsche dir eine tolle Zeit dort!
Hey Miriam, danke für deinen Kommentar! Auch ich war überrascht über die vielen Parks und Grünflächen in Minsk, die eine Stadt ja immer aufwerten. Die Verständigung auf Englisch lief einwandfrei kann ich dir sagen. Ich spreche (leider) auch kein Russisch 😉
Viele Grüße
Sebastian
Liebe Kathrin, vielen Dank! Die Insel der Tränen hat mich tatsächlich sehr berührt und ich bin froh, mit dem Foto wenigstens ein bisschen die Stimmung dort aufzufangen, was im Endeffekt mit einem Foto fast unmöglich ist.
Viele Grüße!
Danke für den netten Kommentar 🙂 Oft sind es ja die exotischeren Ziele, die einen überraschen. In diesem Sinne, weiterhin ein frohes Reisen mit vielen tollen Erlebnissen!
Hey Zypresse, in der Tat eine sehr unterschätzte Region. Solltest du mal Interesse haben, nach Osteuropa zu reisen, empfehle ich dir als Einstieg Städte wie Budapest, Krakau oder die baltischen Hauptstädte Vilnius, Riga und Tallinn. Alles fast vor der Haustür und doch so anders als in Deutschland 🙂
Danke für die netten Zeilen und viele Grüße!
Vielen Dank, liebe Vanessa 🙂
Lieber André, ich danke dir für die netten Worte!
Hallo Gina,
danke für deinen netten Kommentar und es freut mich, dass ich deinen Horizont erweitern konnte 🙂 Die gesamte Region Osteuropa finde ich äußerst spannend und kann eine Reise dorthin nur empfehlen. Man wird belohnt mit Gastfreundschaft, günstigen Preisen und überraschend schönen Städten und Landschaften.
Das 5-Tage-Visum ist allerdings noch ausbaufähig 🙂
Viele Grüße!
Hallo Sebastian,
ein UNESCO Welterbe das ich noch nicht kannte – vielen Dank dafür
Viele Grüße
Kathy von Ahoi und Moin Moin
Ein echt toller Bericht und sehr schöne Bilder. Minsk muss ein Erlebnis sein!
Liebe Grüße
Ines
Danke für den informativen und interessanten Bericht! über Minsk liest man ja nicht gerade viel, umso schöner den Bericht hier lesen zu können. Sieht nach einer interessanten Stadt aus.
Lg aus Norwegen
Ina
http://www.mitkindimrucksack.de
Ich war noch nie in Weißrussland. Das es in Minsk viele Parks und Grünflächen gibt, wusste ich auch gar nicht (bis jetzt;)). Danke für die tollen Tipps 🙂
Minsk hatte ich als Reisedestination noch nie auf dem Schirm. Sieht aber gut aus und wenn es mal bei einer Tour als Zwischenstopp passt, kann ich mir das durchaus vorstellen. Überhaupt muss ich sagen, dass ich gerade erst in diesem Jahr Russland und die baltischen Staaten sowie einige andere unterschätzte Destinationen in meine Liste aufgenommen habe. Ih danke dir schon einmal für diesen schönen Bericht über Minsk.
Sehr spannend. Ich hätte nicht erwartet, dass die Stadt so grün ist. Gerade die Kombination aus Moderne, Altbau und sowjet Architektur klingt spannend!
Wie sieht es denn mit der Verständigung auf englisch aus? Kann leider russisch….
Lg Miriam
Toller Bericht mit vielen Infos! Das Foto von der Insel der Tränen ist super, auch wenn die Bedeutung des Orts natürlich echt traurig ist
Diese Stadt hatte ich bis jetzt noch gar nicht auf meinem Schirm 😳. Aber dein Artikel macht richtig Lust dazu, sie selbst zu erkunden. Vielleicht sollte ich hier mal einen kurzen Stopover einplanen. Deinen Beschreibungen zufolge wäre die Stadt dazu ja perfekt!
Oh, ein ganz fremdes Reiseziel. Diesen Beitrag habe ich mit großem Interesse gelesen. Dabei muss ich gestehen: meine Bucket-Liste von Reisezielen ist im Osten eher gänzlich weiß und unberührt. Ich denke, das sollte ich dann vielleicht doch einmal überdenken.
Danke für die Anregung und ein schönes Wochenende!
Das war ein sehr interessanter Blogpost! Super 👍🏼
Hey Sebastian, toller Blog –> tolle Reiseziele –> tolle Bilder! Weiter so
Hallo Sebastian,
Mit dieser Seite der Welt habe ich mich bisher kaum beschäftigt. Ich hätte noch nicht mal sagen können, wie die Hauptstadt von Weißrussland heißt. Daher Danke für diese Erweiterung meines Horizonts.
Aber ein 5-Tages-Visum ist ja ganz schön knapp. Wenn die sich für den Tourismus öffnen möchten, sollten sie das noch mal überdenken…
Viele Grüße
Gina