Aserbaidschan liegt im Süden Russlands am mächtigen Kaukasus-Gebirge, das einige der höchsten Berge Europas vereint. Den meisten Menschen dürfte lediglich die Hauptstadt Baku ein Begriff für Orte in Aserbaidschan sein, doch tief im Herzen des Kaukasus-Gebirges verbirgt sich ein kleines Dorf, das zu den am höchsten gelegenen Orten in ganz Europa zählt: Xinaliq. Das Dorf, das etwas mehr als 2.000 Menschen beherbergt, liegt nicht nur auf 2.350 Metern Höhe, sondern besitzt einige Besonderheiten, die einen Besuch absolut empfehlenswert machen.
Anreise
Während meines Aufenthalts im Sommer 2017 stellte Baku meine Basis dar. Da ich mir kein Auto mietete, war ich vor Ort auf Nahverkehrsmittel angewiesen, was sich jedoch nie als Problem herausstellte. Um Xinaliq zu erreichen, muss man von Baku aus zunächst mit einem lokalen Bus nach Quba fahren. Für die Strecke, die teilweise gesäumt ist von trockener und felsiger Wüstenlandschaft, sollte man drei bis vier Stunden einplanen. In Quba angekommen, hat man lediglich die Möglichkeit, sich von den Betreibern der vorher gebuchten Unterkunft in Xinaliq abholen zu lassen oder sich ein Sammeltaxi mit anderen Reisenden und/oder Einheimischen zu teilen. Bei Sammeltaxis gibt es wohl das Problem, dass diese oft bereits am Morgen Quba verlassen, also noch bevor man Quba von Baku aus erreicht hat. Ich habe gute Erfahrungen mit der Abholung durch meinen Gastgeber Elnur gemacht, der mich stilecht in einem Lada Niva empfing.
Für die Fahrt hin und zurück zahlte ich 60 Manat (ca. 30€), wobei ich mir die Rückfahrt mit einem estnischen Reisenden teilen konnte und insgesamt 45 Manat (ca. 22€) zahlte. Die Strecke von Quba nach Xinaliq (2 bis 3 Stunden) gehörte übrigens mit zu den spektakulärsten Autofahrten, die ich je mitmachen durfte. Die schier atemberaubend schöne Landschaft entschädigt für jedes Schlagloch auf der Strecke!
Unterkunft
Mit knapp 2.000 Einwohnern sind in Xinaliq natürlich keine Luxusresorts zu erwarten, zumal diese absolut nicht zu der herrlichen Atmosphäre des dortigen Dorflebens passen würden. Die Abgeschiedenheit weit oberhalb von 2.000 Metern fordern ihren Tribut, wenn es um die Strom- und Nahrungsversorgung vor Ort geht. Viele der männlichen Bewohner Xinaliqs sind Schäfer und verdienen sich etwas Geld, indem sie Teile ihrer Häuser als Gasthäuser für Touristen zur Verfügung stellen. Es gibt tatsächlich keine Hotels im herkömmlichen Sinne, sondern nur Homestays und kleine Gasthäuser, was einen Besuch noch einmal spannender gestaltet, wie ich finde. So bekommt man einen Einblick, wie die Menschen vor Ort leben und wie früher wohl noch in vielen Orten Aserbaidschans gehaust wurde. Etwa über booking.com finden sich mittlerweile einige der Unterkünfte. Ich kam im „Xinaliq Qonaq Evi“ unter, einem großzügigen Gebäude mit mehreren Einzel- und Mehrbettzimmern, wunderschön gelegen am unteren Ende des Dorfes.
20 Euro die Nacht erscheinen angesichts des nicht vorhandenen Komforts etwas übertrieben, zumal man für Abendessen und Frühstück noch einmal einige Mehrkosten einplanen muss. Dennoch, angesichts der Abgeschiedenheit fand ich den Preis absolut im Rahmen und habe es absolut nicht bereut, Xinaliq besucht zu haben.
Xinaliq – Ein Ort voller Besonderheiten
Bevor es in Xinaliq auf Erkundungstour geht, möchte ich mit euch einige spannende Hintergründe zu dem Dorf und dessen Umgebung teilen. Interessant wird es bereits bei der Geschichte Xinaliqs, die über 5.000 Jahre zurückreicht, was Xinaliq zu einem der am längsten dauerhaft bevölkerten Orte der Welt macht. Die schwierige Erreichbarkeit der Region hatte zur Folge, dass das Dorf weitestgehend von Eroberungen verschont blieb und in seiner Form überleben konnte.
Eng verwurzelt ist Xinaliq mit „Albania“ (auch „kaukasisches Albanien“), einem antiken Königreich im Kaukasus. Der Begriff „Albania“ wurde überliefert durch altgriechische und lateinische Aufzeichnungen und beinhaltete auch eine völlig eigenständige Sprache, die bis heute in Xinaliq gesprochen wird und von der aserbaidschanischen Bevölkerung weitestgehend nicht verstanden werden kann. Zwar beherrschen auch viele Bewohner Xinaliqs die aserbaidschanische Sprache, doch die völlig eigenständige Sprache der hiesigen Dorfgemeinschaft zeigt bereits, dass man sich hier in einer völlig anderen und unbekannten Welt befindet.
Eine weitere Besonderheit ist die Architektur von Xinaliq. Die Häuser des Dorfes sind stufenartig übereinander gebaut, sodass das Flachdach eines Hauses zum Vorgarten des darüberliegenden Gebäudes wird. Weiterhin wird hier der Dung von Nutztieren mit Heu vermischt und getrocknet. So verliert dieser seinen Geruch und kann im Winter als Feuer- und Heizquelle genutzt werden, denn in den Wintermonaten sind Temperaturen von -20° C die Regel.
Die wohl interessanteste Besonderheit Xinaliqs ist die Legende um Noah. Laut dieser habe der Berg über Xinaliq als Ort gedient, an dem Noah seine Arche nach der Sintflut ankern ließ, um seiner Familie dort ein neues Leben zu ermöglichen. Dies führt dazu, dass sich die Dorfbewohner als direkte Nachfahren Noahs bezeichnen und Jafet, einer der Söhne Noahs, als der Vorvater und Begründer der kaukasischen Völker gesehen wird. Der Fund von Muscheln und Fischfossilien wird als Beweis dafür angesehen, dass die Region in der Vergangenheit unter Wasser gestanden haben muss.
Übrigens gibt es eine weitere Legende, die besagt, dass ein großes, haariges und menschenähnliches Geschöpf in den Bergen um Xinaliq lebt. Ein Dorfbewohner hat es 1988 angeblich mit eigenen Augen gesehen und gab sich fortan schockiert von dem Erlebnis. Ich sagte ja, Xinaliq steckt voller Überraschungen!
Auf Erkundungstour in Xinaliq
Xinaliq hat nicht wirklich viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Auch Wandern in der Region fällt schwer, da die russische Grenze samt eines Militärpostens nicht weit entfernt ist und viele Wanderwege einer offiziellen Erlaubnis bedürfen, die kostspielig und schwer zu bekommen ist. Vielmehr ist es das Dorf und dessen Umgebung selbst, die den Besuch zu einem absoluten Erlebnis machen. Durch den Ort zu laufen und Kindern unbedarft beim Spielen zuzusehen, während es nach Kuhdung riecht und man umgeben ist von einer atemberaubenden Kulisse, ist unbezahlbar. Die Kinder gaben mir auf der Straße sogar die Hand und stellten sich mir auf Englisch vor. Bis heute zieht Xinaliq deutlich weniger Reisende an als die Hauptstadt Baku, was in gewisser Weise schön ist, da sich der Ort durch den Tourismus noch nicht stark ins Negative verändert zu haben schien. Eine Dorfgemeinschaft zu erleben, die nach alten Traditionen lebt, sich in Sachen Elektrizität und Nahrung auf das Wesentlichste beschränkt und sich völlig unbeeindruckt vom Potenzial des Tourismus zeigt, empfand ich als unheimlich reinigende und wahrhaft schöne Erfahrung. Natürlich mögen Blogbeiträge wie dieser den Tourismus nach Xinaliq steigern, jedoch bin ich überzeugt davon, dass sich der Ort in seiner Identität und in seiner Unbekümmertheit niemals verändern wird. Insgesamt lässt sich die Atmosphäre dieses magischen Orts nicht in Worte fassen, weshalb ich ab hier Bilder sprechen lasse!
Viele Grüße
Euer Sebastian alias Japsolut
Vielen Dank liebe Sanne! Es freut mich sehr, dass du meine Bilder lobst und dir mein Reiseziel im unbekannten Herzen Aserbaidschans gefallen hat 🙂
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Das ist mal ein Ziel abseits der touristischen Pfade! Tolle Bilder! Auf der Suche nach solchen Tipps sind wir immer.
Viele Grüße von Sanne
Wow, was für ein Reiseziel!! Erinnert mich an ganz alte Zeiten, wie man sie sich vorstellt. Das war bestimmt eine große Erfahrung in so einer abgeschiedenen Gegend zu sein.
Viele Grüße, Selda
Hey Katja,
danke für die netten Zeilen! Tatsächlich kann man schon ein wenig wandern dort, aber leider auch nicht so ausgiebig. Dennoch ein wirklich toller Ort mit schönen Autos 🙂
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Lieber Andreas,
vielen Dank für den Kommentar! Die Decken waren tatsächlich etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch sehr schön warm und bequem 🙂
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Liebe Miriam,
vielen Dank! Genau solche Orte machen doch das Reisen aus 🙂
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Hi Tina,
die Legende fand ich damals auch klasse, zumal ja wirklich “Beweise” gefunden wurden. Danke für die netten Zeilen 🙂
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Liebe Ina,
Orte mit Geschichte sind wirklich klasse, das stimmt. Ich würde mich freuen, wenn auch du es mal nach Xinaliq schaffst!
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Hi Josefine,
das kann ich in der Tat nur bestätigen! Danke dir 🙂
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Hi Kathy,
vielen Dank für den netten Kommentar. Xinaliq ist wirklich der Hammer 🙂
Viele Grüße
Sebastian alias Japsolut
Die Landschaft ist ja atemberaubend! Schade, dass man da nicht wandern kann. Die Autos haben mich an meine Kindheit erinnert 😉
Whoa, die Bettdecken sind ja mal … augenkrebsverdächtig *g* Irgendwie ist das eine völlig andere Welt finde ich, so stellt man sich das Leben vor etlichen Jahren vor und nicht im Jahre 2018. Interessant anszuschauen und zu lesen!
Solche Reiseziele liebe ich ja! Orte, die einfach noch ab vom Schuss liegen und darauf warten entdeckt zu werden. Tolles Reiseziel hast Du Dir da ausgesucht. Die Landschaft sieht atemberaubend aus.
Lg Miriam
Was für unglaublich beeindruckende Bilder! Die Legende um Noah finde ich äußerst interessant, da werde ich gleich mal weiter recherchieren.
Danke für diesen spannenden und interessanten Beitrag! Klingt ja wirklich äußert reizvoll das Dorf, ich liebe Orte mit Geschichte! Ich merk es mir mal.
LG aus Norwegen
Ina
Sehr schöner Artikel, der sich nach Abenteuer anhört ☺️
Hi,
da hast du aber viel erlebt in Xinaliq. Wow – wirklich schöne Fotos, mir gefällt das ursprüngliche total.
Liebe Grüße Kathy